Waffeln, Fritten, Schokolade, Bier ...
einen ersten Eindruck in das „Savoir Vivre“ der belgischen Hauptstadt erhalten wir von Chantalle, die uns auf einem dreistündigen Stadtspaziergang nicht nur in das Herz von Brüssel, sondern auch in die turbulente Geschichte der Stadt führt.
Ihre Flexibilität hat sie schon zuvor bewiesen, als wir – verspätungsbedingt – die Stadtführung gleich einmal um 2 Stunden verschieben mussten. Ohne sie wüssten wir jetzt weniger über die 812 Kleider des Manneken Pis; wüssten nicht, dass Jeanneke Pis dessen Schwester ist; dass Leopold von Sachsen-Coburg Saalfeld (ein Bayer) 1831 zum König der Belgier geworden ist... Nach einer 19-stündigen Anfahrt macht sich schön langsam die Müdigkeit bemerkbar und wir sind froh, die Beine im Hotel B&B Centre Louise hochlagern zu können.
Dienstag, 26.9.
Auf dem Programm steht heute der Besuch der Europäischen Kommission. Beeindruckend nicht nur das kreuzförmig gebaute Berlaymont-Gebäude – benannt nach dem Kloster Berlaymont, das hier 1625 errichtet worden war – Arbeitsplatz für 32.000 Mitarbeiter*innen, sondern auch die „Lenkung“ der Besuchergruppen.
Ein Vortrag über Funktion / Rolle der Europäischen Kommission macht schnell klar, weshalb es in vielen Fällen so lange dauert, bis ein „Gesetz aus Brüssel“ verabschiedet werden kann. Immerhin müssen nicht nur (partei)politische, sondern auch regionale, nationale, wirtschaftliche, umweltrelevante ... Interessen unter einen Hut gebracht werden.
Die 27 „Kommissare“ an der Spitze der Kommission bilden die politische unabhängige Exekutive der EU, sind verantwortlich für die Wahrung der Europäischen Verträge, erarbeiten Vorschläge für neue Rechtsvorschriften und setzen die Beschlüsse des Rates der EU um. Was auf den ersten Blick wie trockene Materie erscheint, kann ganz schön spannend und herausfordernd werden, wie wir erfahren. Übrigens besteht die Möglichkeit, als Praktikant*in anzufangen – abgeschlossenes Studium vorausgesetzt ...
Unsere Fragen treffen thematisch ins Schwarze – v.a. was die Einschätzung der brennendsten Probleme der EU betrifft: Migration, Klimapolitik ...
Abgerundet wird der Tag inhaltlich durch einen Besuch der interaktiven Ausstellung Experience Europe. Besonders interessant dabei die Vorstellung verschiedenster Projekte aus EU-Ländern, die zeigen, welche Vielfalt an Problemen / Themen bewältigt werden muss. Ein Beispiel? Die Fischfangquoten interessieren das europäische Binnenland weniger als Alm-Tourismus...und doch muss eine Einigung erzielt werden.
Nach so vielen Informationen tut ein Spaziergang zum Kopfauslüften gut. Wie gut, dass der Parc de Bruxelles auf dem Weg liegt und sowohl der Spielplatz als auch die Skulpturenausstellung Abwechslung bieten. Die Katze von Philipp Geluck, Maskottchen der belgischen Zeitung Le Soir, ist in 20 Skulpturen mehr als überkatzengroß verewigt. Und lädt zum Mit-, Nachmachen ein.
Mittwoch, 27.9.
Heute empfängt uns im Europäischen Parlament die Steirerin Simone Schmiedtbauer, eine von 705 Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Über den „Umweg“ als Bürgermeisterin von Hitzendorf hat sie ihr Weg nach Brüssel geführt, wo sie sich nun im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung für den ländlichen Raum und starke Regionen einsetzt.
„Ihr“ Ausschuss beschäftigt sich gerade sehr intensiv mit der Überprüfung des Schutzstatus‘ von Wölfen – ein Thema, das auch in Österreich die emotionalen Wogen hochgehen lässt. Lebendig und anschaulich berichtet sie nicht nur von den Schwierigkeiten, die es zu überwinden gilt, um einstimmige Beschlüsse zu erzielen. Sie gewährt uns auch einen Einblick in den Alltag einer Abgeordneten, der arbeitsintensiv, anstrengend und auf keinen Fall familienfreundlich ist.
Auch sie sieht die großen politischen Herausforderungen in der EU in der Aufnahme „neuer“ Mitgliedsstaaten, der Migrationspolitik und der Umsetzung umweltpolitischer Maßnahmen.
Mit dem Green Deal, dem Fahrplan für ein klimaneutrales Europa bis 2050, hat sich „die EU“ ein ambitioniertes Ziel gesteckt. Ein Ziel, das umzusetzen nur möglich sein wird, wenn die Stimmen der Vernunft stärker als einzelne Länder- bzw. Wirtschaftsinteressen tönen werden.
Wir haben jedenfalls einen Einblick bekommen, wie komplex, schwierig und manchmal sehr emotional es ist, verschiedenste Interessen unter einen Hut zu bringen.
Den Abschied „versüßt“ uns der Besuch im Schokolademuseum und dann geht es auch schon zurück ins Hotel, damit wir Belgien nicht ohne Gepäck verlassen. Mit im Gepäck viele Eindrücke, Informationen und auch Emotionen. Und das Wissen, dass bei allen Schwierigkeiten, Verzögerungen ... die EU das größte Friedensprojekt ist und bleibt.
Au revoir, Bruxelles!
8A Klasse
Mag.a Gerlinde Lick
Mag.a Brigitte Schwarz
P.S. Unter dem Titel „EU-Erfahren“ übernimmt die Vertretung der EU-Kommission in Österreich für eine Klasse pro Bundesland und Schuljahr die Zugkosten Wien-Brüssel-Wien. Nach Prüfung der eingelangten Bewerbungen erhielten wir den Zuschlag. Wir sind schon sehr stolz darauf, diese 1 Klasse für die Steiermark gewesen zu sein!
Und: Die 943 kg CO2, die wir pro Person durch die Fahrt mit dem ÖBB Nightjet auf der Fahrt von Wien nach Brüssel eingespart haben, trösten über die Unannehmlichkeiten von Liegewagen und Verspätungen hinweg!
Auch die Abteilung 9 Kultur, Europa, Sport, Referat Europa und Internationales des Landes Steiermark unterstützte diese Reise mit 100€ pro SchülerIn.
Ach ja – bis auf das Bier (?) haben wir alles geschafft!
Pressemeldung